Die EZB hat auf ihrer Sitzung am 14.09.23 die 10. Zinserhöhung in Folge beschlossen und den Leitzins der Eurozone auf 4,5% (Einlagensatz: 4,0 %) angehoben. Aufgrund der Projektionen und der Verlautbarungen der EZB muss man davon ausgehen, dass der Zinsgipfel damit erreicht ist und an der Zinsfront erst einmal Ruhe einkehren wird. Entsprechend freundlich reagierten die Aktienmärkte.
Wenn man den Aussagen des EZB-Rats folgt, sollen die Zinssätze für eine geraume Zeit auf diesem – für die EZB historischen – Hoch gehalten werden, um die immer noch deutlich zu hohe Inflation zu bekämpfen. Auf der anderen Seite preist der Rentenmarkt schon seit geraumer Zeit zukünftige Zinssenkungen ein, da die konjunkturellen Aussichten alles andere als rosig sind.
Sicher ist, dass sich die Inflationsraten sehr hartnäckig und teilweise auch sehr deutlich oberhalb des Zielkorridors von 2 % bewegen. Trotz aller länderspezifischen Unterschiede wirken hier längerfristige Trends wie die De-Globalisierung, die Demografie und nicht zuletzt die preistreibenden Effekte der Dekarbonisierung unserer Energieversorgung. Eine Rückkehr in eine Phase der Deflation und damit einer Null- und Negativzinsphase scheint daher sehr unwahrscheinlich. Aber sicher ist auch, dass die sehr deutlichen Zinserhöhungen der Notenbanker ihre volle Wirkung erst mit einem gehörigen Zeitverzug entfalten werden. Daher muss davon ausgegangen werden, dass sich die konjunkturellen Probleme, wie wir sie derzeit auf dem Immobilienmarkt erleben, auf viele weitere Branchen ausweiten werden. Denn es sind ja nicht nur die Zinsen, die konjunkturellen Gegenwind für die Wirtschaft darstellen. Exemplarisch sei an dieser Stelle nur auf die Situation in China verwiesen, das mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat.
Aufgrund ihrer starken internationalen Verflechtung ist die deutsche Wirtschaft hier sehr deutlich exponiert. Hinzu kommt das unsere heimische Wirtschaft von den derzeitig völlig unklaren politischen Rahmenbedingungen und der damit einhergehenden sehr schlechten Stimmung negativ getroffen wird. Erinnert sei hier nur an die Aussage von Ludwig Erhardt, nach der die Wirtschaft zu 50 % von Psychologie bestimmt sei. Die Entwicklung in Deutschland, als das industrielle „Kernland“ der Eurozone, wird großen Einfluss auf die konjunkturelle Entwicklung in Europa haben. Nicht umsonst revidieren Länder wie z.B. Frankreich ihre Wachstumsprognosen mit Verweis auf Deutschland derzeit nach unten.
Sollte sich die konjunkturelle Lage nicht aufhellen, wird die Zentralbank -trotz der noch immer zu hohen Inflationsdaten – unter Druck geraten, ihre Zinspolitik wieder entsprechend zu lockern. Daher ist damit zu rechnen, dass das Zinsplateau, auf dem wir uns aktuell befinden, nicht allzu lange bestehen wird. Für Rentenanleger besteht kein Grund mehr, Neuanlagen zeitlich zu strecken. Am kurzen Ende des Laufzeitenspektrums dürfte der Zinsgipfel jetzt erreicht sein. Und wenn der Zinstrend irgendwann in den nächsten Monaten dreht, rücken auch längeren Laufzeiten schnell wieder in den Fokus der Investoren. Daher sollten Anleger in den kommenden Wochen sukzessive Engagements in bonitätsstarken Rentenanlagen wie Pfandbriefen und ausgewählten Unternehmensanleihen auch im mittleren bis längeren Laufzeitenbereich in Erwägung ziehen.
Dabei gilt es, mit Augenmaß vorzugehen, denn ein Zinsrückgang in der Zukunft ist hier zumindest teilweise bereits in den Kursen eingepreist.