„Dividenden sind die neuen Zinsen“, lautete ein zuletzt sehr beliebter Slogan der Finanzindustrie. Mit dem Argument, dass Dividendenrenditen attraktiver sind als Nullzinsen, ließen sich in den vergangenen Jahren Fonds und ETFs mit Dividenden-Strategie gut verkaufen. Was passiert nun, wenn die Zinsen wieder steigen?
Manchmal können Zahlen in die Irre führen. So zum Beispiel diese hier: Im vergangenen Jahr haben Anleger mit DAX-Aktien eine Dividendenrendite von etwa 2,8 Prozent erzielen können. Angesichts niedriger Zinsen nahe Null klingt das verlockend. Kein Wunder, dass Strategien, die darauf abzielen, in Unternehmen zu investieren, die eine möglichst hohe Dividendenrendite generieren, in den vergangenen Jahren zunehmend attraktiv geworden sind.
Doch hier geht es nicht nur um die Rendite. Entgegen eines viel zitierten Slogans der Finanzindustrie sind Dividenden keine Zinsen! Das waren sie nie und werden es niemals sein! Das sollte man niemals vergessen. Ob und in welcher Höhe Dividenden ausgeschüttet werden, hängt schließlich von der Ertragslage der jeweiligen Unternehmen ab. Beispiele wie RWE oder E.on, ehemals Lieblinge von Dividendenjägern, zeigen, dass hohe Dividenden in der Vergangenheit kein Blankoscheck für die Zukunft sind.
Was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen?
Wenn die Zinsen sich nahe oder sogar unterhalb des Gefrierpunktes befinden, ist es leicht, für ETFs auf Dividenden-Indizes zu werben. „Besser Zwei Komma X als nix“ lässt sich leicht verkaufen. Was passiert jedoch, wenn die Renditen von Anleihen wieder steigen? Antwort: Dann muss man im Einzelfall sehr genau hinsehen, wie die Dividenden eines Unternehmens zustande kommen. Werden sie ausschließlich dem Gewinn entnommen? Oder werden sie aus der Substanz bezahlt? Wie reagiert das Geschäftsmodell auf Zinsveränderungen? Eine genaue Betrachtung der Fundamentaldaten und des Marktumfeldes sollte darüber entscheiden, ob ein Unternehmen dafür geeignet ist, in ein Dividendenstrategie-Portfolio aufgenommen zu werden.
Der kritische Blick aufs Geschäftsmodell
Was man auch berücksichtigen muss: Unterschiedliche Unternehmensmodelle reagieren unterschiedlich auf Zinsveränderungen. In der Finanzbranche wird das an einem Beispiel deutlich: Banken etwa profitieren von Zinserhöhungen. Schon bei Versicherungen kann es aber ganz anders aussehen. Hier sind die Werte der Anleiheportfolios in den vergangenen Jahren aufgrund der Kurssteigerungen beachtlich angeschwollen. Die Frage ist, wie gut ein Versicherer die Situation genutzt hat. Hat er teuer Positionen verkauft und Gewinne realisiert? Ist das Anleiheportfolio gegen Kursverluste abgesichert? Wie sehen die Laufzeiten und überhaupt die Struktur des Portfolios aus?
Vorsicht! Zombies!
Eine weitere Gefahr, die sich über die Jahre aufgebaut hat: Es kriechen mittlerweile etliche Zombie-Unternehmen übers Parkett, die aus ihrem Geschäft heraus eigentlich gar nicht mehr genug Geld verdienen, um zu überleben. Sie existieren nur noch deshalb, weil die Zinslast niedrig ist und sie billig an frisches Geld kommen. Wenn die Zinsen wieder steigen, werden diese Firmen vom Markt verschwinden. Es gibt also Unternehmen, die bei steigendem Zinsniveau in Schwierigkeiten geraten könnten, selbst wenn sie in der Vergangenheit hohe Dividenden ausgeschüttet haben.
Das Gebot der Stunde lautet: aktives Management
Bisher konnte man es sich vielleicht leisten, solche Gefahren auszublenden und eine genaue Analyse von einzelnen Unternehmen etwas lässiger anzugehen. Anleger haben bislang ja gar keine Wahl. Wer Rendite will, muss in Aktien investieren. Steigen die Zinsen, wird die Aufgabe, ein Dividenden-Portfolio zu verwalten, jedoch deutlich anspruchsvoller.
Passive Instrumente sind deshalb derzeit nicht unbedingt die erste Wahl. Denn in Dividenden-Indizes können Risiken schlummern, die sich nicht entschärfen lassen. Dazu kommt: Je nachdem, in welchem Ausmaß die Renditen von Anleihen wieder steigen, verlieren plumpe Dividendenstrategien an Anziehungskraft. Kluges, aktives Management ist jetzt das Gebot der Stunde. Man muss Zahlen richtig interpretieren – und zwar die richtigen und wichtigen. Denn manche Zahlen können in die Irre führen.